Der Christus der Abgründe

Der Christus der Abgründe

„Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Mt 28,20)

Westlich von Portofino – direkt am Ligurischen Meer - liegt in einer kleinen Bucht die Abtei San Fruttuoso Capodimonte. Das Kloster wurde im 10. Jahrhundert von griechischen Einsiedlern erbaut und einige Jahre später von Benediktinermönchen erweitert. Die Abtei ist nicht an das regionaleStraßennetz angeschlossen und kann daher nur über das Meer oder über einenWanderweg erreicht werden. Dennoch zieht es jedes Jahr zahlreiche Pilger an diesen beeindruckenden geistlichen Ort. Einst war das Kloster ein Ort derStille, der Hoffnung und des Gebets. Das Spannende ist, seit etwa 70 Jahrenbirgt der Ort ein zusätzliches Geheimnis.

Hinter uns liegt die bunte Faschingszeit, die von der sog.Fastenzeit des Kirchenjahres abgelöst wird. In den kommenden 40 Tagen sind wireingeladen innezuhalten, Verzicht zu üben und von falschen Wegen umzukehren. Sokönnen die Tage bis Ostern zu einer wertvollen Zeit der Veränderung werden. Unddann erwarten wir Karfreitag und Ostern. Am höchsten christlichen Festtagfeiern Christinnen und Christen weltweit die Auferstehung Jesu von den Toten.Damit verbunden ist die Erwartung und die Gewissheit, dass Ungerechtigkeit,Leid und Tod nicht das letzte Wort haben. Die Schöpferkraft Gottes hat damalsRaum und Zeit berührt und die Realität verändert. Seither bildet das Osterfestein Fundament der Hoffnung, welches auch von den schrecklichsten Nachrichten unsererTage nicht zerstört werden kann. Gottes Schöpferkraft ist eben nicht nur in denleichten und schönen Momenten des Lebens erfahrbar– sondern insbesondere in dentiefsten Tiefen unseres Lebens!

 

Genau dieses Geheimnis lässt sich auf dem Meeresgrund vordem alten Kloster symbolisch lüften. Taucht man nämlich 300 Meter vor der Abtei15 Meter in die Tiefe, dann entdeckt man am Meeresgrund eine 3 Meter großeStatue: Den Cristo degli abissi (den Christus der Abgründe). DerKünstler Guido Galletti hat diese Statue in den 1950er Jahren aus Bronze kreiertund bewusst auf dem Meeresgrund platzieren lassen. Sie zeigt Christus mitausgestreckten Armen, die in Richtung Licht und Wasseroberfläche zeigen. Eswirkt, als würde er uns auch auf dem Meeresgrund zurufen: „Kommt her zu mir,alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ (Mt11,28).

 

Während einer Konferenz habe ich erstmals von diesemKunstwerk erfahren. Seither hat mich dieses eindrückliche Bild nicht mehrlosgelassen. Es hat mich wieder neu daran erinnert, worauf der christlicheGlaube basiert. Der „Christus der Abgründe“ bildet die Grundlage unsererHoffnung. Auch in den tiefsten Tiefen sind wir nicht allein mit denHerausforderungen unserer Zeit. Das Unterwasser-Kunstwerk erinnert unseindrücklich daran, dass es eine Realität gibt, die in die Tiefen unserer Zeithineinreicht und dadurch die Grundlage bietet, „hoffnungsstur undglaubensheiter“ zu bleiben. Das gilt sowohl für jede persönliche Situation alsauch für die ganze Gemeinde in Engen, die sich gerade in der Vakanz befindet. Unsgilt heute die Zusage, die Christus vor mehr als 2000 Jahren an seine Jüngerrichtete: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Mt28,20)

 

Markus Weimer - Dekan des Ev. Kirchenbezirks Konstanz

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